Der Planet, der das Prinzip der Zwillinge am deutlichsten ausdrückt, ist Merkur, der sonnennächste Himmelskörper. Dieser Trabant kreist so nahe um das Zentralgestirn, dass er 88 Tage braucht, um es zu umrunden.

Merkur kommt, von der Erde aus betrachtet, relativ rasch hinter der Sonne hervor, und ist, wenn überhaupt, nur sehr we­nige Tage am Abendhimmel zu sehen und schießt dann gerade­zu blitzschnell an der Sonne vorbei, wobei er scheinbar rück­läufig wird. Damit hängt die Schwierigkeit zusammen, diesen Sonnenbo­ten überhaupt zu Gesicht zu bekommen. Sofern man den Saturn beobachten kann, erscheint er als sil­brig glänzender Stern, der weitaus heller wirken würde, er­schiene er auch am finsteren Nachthimmel.

Das ihm zugeordnete Metall ist das Quecksilber, und so wirkt er ja auch auf uns: schnell und unregelmäßig, rasch sich verflüchtigend und silbrig glänzend — eben quecksilbrig. Es entspricht daher ganz und gar der Natur der Zwillinge, dem beweglichsten Zeichen des Tierkreises.

Merkur — der griechische Hermes — ist der Götterbote. Er wird mit Flügeln an den Füßen und am Helm dargestellt: Das weist auf seine Schnelligkeit und Bewegungsfreude hin. Wie er zwischen den Göttern vermittelt, bald diesem, bald jenem et­was zuträgt, so erscheint er als Planet als Bote der Sonne, der gleichsam ihre Reichweite bald nach dieser, bald nach jener Seite verlängert.

Das Planetenprinzip Merkur ist hermaphroditisch: Er ist bei­den Geschlechtern oder keinem von beiden zugeordnet. Er ist neutral oder ambivalent. Er gilt auch weder als gutes noch als böses Prinzip, ist weder „Wohltäter“ noch „Übeltäter“, wie es die klassischen Astrologen nannten. Manche haben ihn aller­dings mehr als Übel- denn als Wohltäter gesehen. Hermes war ja auch der Gott der Diebe, und sein schillerndes Wesen ist der Lüge nahe verwandt. Doch im Allgemeinen repräsentiert er das neutrale Prinzip der Vermittlung.

Bei der Vermittlung kommt es weniger auf ausgeprägtes Ei­genleben als auf die Fähigkeit an, sich den Eigenarten der ver­schiedensten Dinge und Persönlichkeiten anpassen zu können, ohne dabei restlos in diesen aufzugehen. Wichtig für die Kom­munikation ist schließlich die Sprache. Dies alles repräsentiert das Prinzip Merkur. Er ist der Intellektuelle unter den Planeten. In ihm ist die Fä­higkeit aufs Höchste vervollkommnet, die Dinge von den ver­schiedensten Seiten her zu beleuchten. Er hat einen Sinn für die verschiedenen Aspekte ein und derselben Sache.

Desgleichen ist Merkur der Gott des Handels und der Kauf­leute. In der Wirtschaft braucht man weniger Emotionen als vielmehr kühlen Sachverstand. Das Prinzip des Gefühls ist Merkur gänzlich fremd. Sein Intellekt ist bisweilen kühl und nüchtern, bisweilen äußerst kritisch und ambivalent. In den Zwillingen kommt der merkurische Einfluss als ver­mittelndes Prinzip zur Geltung, weniger als ökonomisches. Als Herr dieses Zeichens befähigt er in erster Linie zu kritischer Reflexion. Er sieht, dass alles zwei Seiten hat, dass man die Dinge so, aber auch ganz anders betrachten kann.

Da die Zwillinge das beweglichste aller Zeichen sind, ist auch der Zwillings-Merkur das Prinzip der raschen Auffas­sungsgabe. Er gilt nicht zu Unrecht als Prinzip des Zweifels. Das Wort Zweifel leitet sich von der Zwei, dem Zwiespalt, ab. Zwiespältig ist auch Merkur. Sein Prinzip bleibt nicht lange bei einer Sache stehen, so wie der Planet rasch von einem Zei­chen zum anderen eilt. Er bleibt so fast an der Oberfläche. Sein Denken ist nicht tiefgründig, sondern logisch sachbezogen. Ähnlich verhält es sich bei den Beziehungen von Zwillinge-Frau oder Zwillinge Mann.

In der germanischen Mythologie trägt Loki merkurische Zü­ge. Er ist der Schlaue, Listenreiche, aber auch der Falsche, Trügerische und Unbeständige unter den Göttern. Doch auch im Göttervater Wotan erkannten die Germanen, als sie mit der römischen Kultur in Kontakt kamen, merkurische Züge. Wo­tan ist der Bringer der Runen, der Schrift. Er streift auch bis­weilen als ruheloser Wanderer durch die Lande. Da er dem Winde gebietet, erweist er gleichfalls seine Beziehung zum luf­tigen Element Merkur. Es ist wohl kein Zufall, dass gerade die Germanen einen merkurischen Gott als „Allvater“ hatten. Denn sie haben sich seit jeher als ein Volk von besonderen dichterischen Begabungen erwiesen.

Da Merkur, wie alle anderen Planeten- und Götterprinzi­pien, ein Archetypus ist, der aus den Tiefen des menschlichen Bewusstseins kommt, ist natürlich auch im Christentum ein merkurisches höheres Wesen vorhanden, der Erzengel Gabriel, der Gottesbote. Seiner Natur entsprechend unterstehen dem Merkur alle Pflanzen, welche rasch wachsen, unter den Tieren alle kleinen und flinken, unter den Gesteinen alle Konglomerate, also Mi­neralien.

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